Freitag, 20. November 2009

Scherben

Da sitzt ein dicker Alter am Damm. Da wo Bärtige Gemüsenamen schreien. Er hat sich eingehüllt in Dreck und Lärm auf einer Bank; die Hose fleckig, den Bauch auf die Knie gelegt.

Zu seinen Füßen Glasscherben.

Er greift nach einer, die einmal Boden war, so dick und rund, legt sie zwischen die Finger und hält sie gegen das Tageslicht, dann vor sein linkes Auge, das rechte zusammen gekniffen.

Dahinter: nur noch neblige Gestalten und sein Auge wird tausend – tausendfach vergrößert davor und das übrige ist nur noch ein Stück rohes Fleisch.

Ich zerfalle in tausend Stücke. Kehre die Scherben unter meinem Bett hervor. Versuche mich darin zu sehen. Aber mein Ich ist tausend, nun tausend Scherben. In jeder nur ein Bruchteil Ich.

Sei einzig, sei tausend.

Und tausend Scherben schiebt der dicke Alte unter der Bank mit den Füßen zusammen. Man hört das Schaben nicht im Lärm, das Geräusch von bewegtem Glas auf Asphalt.

Das tausendfache Auge begleitet mich mit jedem unsicheren Schritt durch die Straßen und überall, wo ich hinschaue, nur verschwommenes Auge hinter Glas.

Ich kehre die Scherben zusammen vor meinem Bett. Es kratzt gewaltig auf den nackten Holzdielen und in meinen Ohren. Will nicht mehr hören. Nicht mehr hören und nicht mehr sehen. Nicht mehr hören und nicht mehr sehen, das tausendfache Auge.

Ein Bärtiger schreit nicht mehr Gemüsenamen, schreit es fort, das rohe Stück Fleisch, scheucht es auf von seiner Bank: seine Bank, seine Bank, meine Bank!

Scher dich zum Teufel und Glas fällt auf Stein, geräuschlos im Getöse des Straßenlärms. Das Stück Fleisch verschwindet hinter der nächsten Straßenecke und lässt die Scherben zurück, das Auge, das Tausendfache.

Sei einzig, sei tausend, sei tausend Stücke.

Und Ich ist nun tausend Scherben unter einer Bank am Damm, eingehüllt in Lärm und Dreck.

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