Freitag, 20. November 2009

neben einander leben

Wir sollten nicht nebeneinander leben.
Ich schaue rechts und links und geradeaus und unter und über dich und sehe mein Leben, sehe mich in allen deinen Möglichkeiten und sitze dir gegenüber und laufe neben dir und denke: Wir sollten wirklich nicht nebeneinander leben.

Da geht einer und verliert ein paar Kilos. Da geht einer und verliert ein paar Haare. Da geht einer und verliert sein Unglück. Da gehst du und sammelst alles auf. Und ich sehe dich an und muss schmunzeln und denke
dass du dicklich und haarich und unglücklich aussiehst wie ich.

Da sitzen zwei Rücken an Rücken und strampeln durch das Leben. Zwei sitzen und schauen in entgegengesetzte Richtungen in ein eintöniges Blau und irgendwo am Horziont schimmert eine ferne Möglichkeit des Gelbs, oder Schwarzs, oder Rots. Und zwei bemerken es gleichzeitig und fangen aus vollsten Kräften an zu trampeln und bewegen sich nicht, nichts bewegt sich außer ihre Rücken und die dehnen sich nur schmerzhaft entzwei. Und ich drehe mich um und mustere dich und denke
dass wir zu viel blau machen und schwarz malen und rot sehen miteinander.

Da nimmt einer sein Herz und legt es auf die Straße, und der andere passt auf. Da weht dir der Geruch von frischem Backfett in die Nase und deine Füße tragen dich bloß Milimeter an meiner roten blutigen Masse vorbei zum Bäcker und gelbes glühendes Mehl in dich hinein. Da siehst du durch die Scheibe, wie einer durch mein Herz latscht und es tut dir plötzlich weh, über dem vollen Magen. Und ich blicke dich an in deiner Gier und mit deiner Herzlosigkeit und denke
dass ich nun herzlos bin und dich schmerzlos und scherzlos verachte.

Da tanzen zwei zu afrikanischen Rhytmen. Der eine trommelt monoton und der andere bewegt seinen Arsch und es ist wie Sex oder auch nicht denn beim Sex würde keiner von ihnen kommen und der Arsch fährt eine Milimetersekunde zu spät zur Seite und die Trommel eine Milimetersekunde zu früh in den Beat und der Hut vor uns bleibt leer und Passanten blicken uns an und finden uns peinlich, und ich blicke dich an mit deiner Trommel und deinem bewegungslosen Arsch und denke
dass wir uns nicht fassen dann hassen dann sein lassen und im falschen Rhythmus.

Da sitzen zwei Penner am Bahnhof und teilen sich ihr Brötchen und beide sind voll mit Locken und von dem einen hängt das Auge. Einer leckt mit der Zunge über den Senf auf dem Pappteller und der hält inne in seiner Dipbewegung und beschwert sich. Und ich gehe ich den Wald und schieße ein Reh und sage Bitte, in das Blut kannst du dippen, wenn du willst. Und dem fragenden Schaffner erzähle ich von Rehpest und meine Hose ist grün und du dippst dein Brötchen in das Reh und da sehen sie dass es nicht verpestet ist und ich werde verhaftet und du musst mitkommen und im Gefängnis treten sie uns und bespucken uns und unsere Freunde schauen kopfschüttelnd von außen zu. Und ich blicke dich an mit deinem blutverschmierten Maul und deinen bläulichen Rippen und denke
dass zwei Verräter sich gegenseitig zum Staatsfeind machen.

Und baumle an einer schweren Eisenkette im bodenleeren deckenlosen Raum und warte darauf, dass die Kette sich irgendwann löst oder der Adler kommt, wenigstens endlich der Adler kommt und ein wennig von mir nascht, dann könnte ich ihn fragen, dann hätte ich endlich eine objektive Meinung dazu, wo du eigentlich aufhörst und ich beginne.

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